Persönlicher Umgang mit der Darmkrebserkrankung

Abgesehen von Unterstützung durch andere Menschen, die unsere Interviewpartner*innen erfuhren, halfen auch eigene Haltungen, Denk- oder Verhaltensweisen, mit ihrer Darmkrebserkrankung und der damit veränderten Lebenssituation umgehen zu können, ohne daran zu zerbrechen (siehe auch „Psychische Belastungen“).

Manche Erzähler*innen fanden ihre Gelassenheit und ihre Fähigkeit, die Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen zu akzeptieren, sehr hilfreich, während es für andere auch wichtig war, manchmal ihre Einschränkungen weitestgehend zu verdrängen.

Petra Thomas ist dankbar für ihr intensives Leben und für das, was sie bisher erleben durfte.

Matthias Mitternich übt sich in Gelassenheit.

Holger Pfleger versucht seine Behinderungen zu akzeptieren.

Einige erzählen, dass sie nicht mit ihrem Schicksal haderten und versuchten, ihren Alltag wieder so normal wie möglich zu gestalten. Dies war manchmal leichter, wenn sie eine Aufgabe hatten oder wieder in den Beruf einsteigen konnten.

Klaus Wippich half das Gefühl, gebraucht zu werden.

Für einige war damit auch verbunden, sich selbst Stärke zuzutrauen, an persönlichen Ressourcen wie einem starken Willen oder Durchsetzungskraft festzuhalten und sich dementsprechend auch Ziele und Aufgaben zu stecken, die sie erreichen konnten.

Gunther Kraft halfen seine früheren Heldenträume, durchzuhalten.

Oskar Lord-Grebl schuf sich mit viel Ehrgeiz, Willen und Energie ein Tagesprogramm.

Wieder aktiv am Leben teilzunehmen – sei dies durch gesunde Lebensführung oder dadurch, sich trotz der Erkrankung auch als gesunden Menschen zu betrachten, war für viele unserer Erzähler*innen wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Dazu gehörte unter anderem, die Entscheidungsgewalt über das eigene Leben zu behalten.

Für Iris Niebling bedeutet Lebensqualität, dass sie sich als gesund sieht und am Leben Teil hat.

Auch im Glauben oder in der Spiritualität fanden einige unserer Interviewpartner*innen eine große Hilfe, während andere keine Verankerung in einem Glauben oder keine Vorstellung von einem Leben nach dem Tod oder einen anderen spirituellen Sinn sahen oder auch in der Zeit der Erkrankung mit ihrer Spiritualität haderten (siehe auch „Sinnsuche und Konfrontation mit der Endlichkeit“). Einige beschreiben, dass sie sich von Schutzengeln beschützt fühlten und sich über Unterstützung innerhalb einer Gemeinde freuten, beispielsweise indem für sie gebetet oder an sie gedacht wurde. Ebenso half es manchen, Nächstenliebe anderen weiterzugeben oder selbst zu empfangen.

Eine Außerkörpererfahrung nahm Richard Linde die Angst.

Der katholische Glauben war für Erna Hettich sehr hilfreich.

Räume wie Kapellen oder Kirchen hatten für manche Erzähler*innen auch unabhängig von einem Glauben die Bedeutung eines Rückzugsortes, wo sie zur Ruhe kommen konnten. Daher betonten einige, wie wichtig ihnen auch eine Krankenhauskapelle war.

Die Achtsamkeit im Alltag und besonders den Zugang zur Natur konnten einige unserer Erzähler*innen als Kraftquellen für sich nutzen.
Viele beschreiben, dass ihnen Spaziergänge, Radtouren oder Wanderungen, besonders an der frischen Luft und an der Sonne sehr wichtig waren und sie daraus Energie schöpften. Daneben hatten auch Haustiere für viele eine große Bedeutung, weil sie oft die Stimmungen der Besitzer*innen zu fühlen schienen. Manche Hunde sorgten bei ihren Besitzer*innen für regelmäßige Bewegung an der frischen Luft.

Maria Rich konnte durch tägliche Spaziergänge Kräfte aufbauen.

Auch der Sport spielte für viele unserer Erzähler*innen eine zentrale Rolle. Einige berichten, dass sie sich hierbei wieder spüren lernten und damit das verlorene Vertrauen in den eigenen Körper wiederfanden.

Sport war für Lorenz Kraus ganz wichtig.

Für einige waren Entspannungstechniken, wie Autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung, sehr hilfreich. Während manche diese Techniken schon lange ausübten, erlernten andere sie in ihrer Rehabilitation.

Wilfried Schönfeld konnte sich durch das autogene Training "wegbeamen".

Daneben beschreiben manche Erzähler*innen, dass es ihnen half, sich sachlich für ihre Erkrankung und Therapien zu interessieren, um nicht ihrer Angst ausgeliefert zu sein. Hierbei ist es vielen auch wichtig, selbstbestimmt zu bleiben und Schritt für Schritt den weiteren Verlauf zu planen und mitzugestalten.

Sachliches Interesse und Gelassenheit halfen Richard Linde, mit der Krankheit umzugehen.

Als hilfreiche Strategie wurde genannt, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass es andere Menschen gibt, denen es schlechter geht. Manche beschreiben, dass sie dies demütig machte, sie Mitleid mit anderen Patient*innen aufbrachten und sie sich dadurch nicht so sehr auf ihr eigenes Leid fokussierten. Andere hatten wiederum den Gedanken, dass es genauso unfair wäre, wenn an ihrer Stelle jemand anders erkrankt wäre.

Rosi Blumenthal half es, sich vor Augen zu führen, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen überlebt hatte.

Eine grundsätzlich positive Lebenseinstellung und die Hoffnung, dass die Dinge „gut ausgehen“ würden, war für manche unserer Interviewpartner*innen die Grundhaltung, die ihnen half, ihren Humor nicht zu verlieren und besser mit ihren Einschränkungen und ihrem Leid umgehen zu können.

Amalia Spatz ging mit Optimismus an die Krankheit heran.

Paul Reinauer versuchte, Ärger zu vermeiden und sein Leben positiv zu gestalten.

Muße und Kreativität schufen für viele unserer Erzähler*innen einen besonderen Zugang zu sich selbst. So berichten unsere Interviewpartner*innen, dass sie ihre Krankheit aufarbeiteten, indem sie Geschichten und Gedichte schrieben, malten, Steine bearbeiteten, sangen, Klavier spielten oder auch lasen, bestimmte Musik hörten, in Kirchenkonzerte gingen oder Zitate und Gedichte sammelten.

Einige unserer Erzähler*innen beschreiben, dass sie lernten, bewusster zu leben, ihr Leben mehr als Geschenk anzusehen, sich erlaubten zu träumen und Träume zu verwirklichen oder auch, dass sie Bilanz über ihr Leben zogen und versuchten Unabänderliches zu akzeptieren.

Dazu war vielen ein ehrlicher und offener Umgang mit ihren Gefühlen wichtig, den sie teilweise vor der Erkrankung nicht so pflegten. Vielen war es wichtig, sich einzugestehen, dass manches Zeit brauche und dass es sich beim Darmkrebs um eine schwere Erkrankung handele und nicht „nur um einen Schnupfen oder eine Blinddarmentzündung“. Das bedeutete auch, dass man sich als Mensch verändern, zu Schwächen stehen und sich selbst treu sein darf. Dafür wünschten sich manche auch psychologische Unterstützung oder fanden hier ihre Anregungen (siehe „Psychotherapie und Psychoonkologie“).