Diagnosemitteilung

Es gibt keinen einfachen Weg, jemandem zu vermitteln, dass er an Krebs erkrankt ist. Viele Menschen beschreiben, dass die Diagnosemitteilung für sie einen Einschnitt in ihrem Leben darstellte, der großen Einfluss darauf hatte, wie sie im Verlauf mit ihrer Erkrankung umgehen konnten.

Beim Darmkrebs ist der Zeitpunkt der Diagnosestellung im Untersuchungsverlauf unterschiedlich. Während bei manchen schon bei einer ersten Tastuntersuchung eine Vermutung des Arztes/der Ärztin im Raum steht, zeigt sich der Tumor bei anderen erst in der Darmspiegelung. Das endgültige Ergebnis ist in der Regel erst dann ersichtlich, wenn eine Gewebsprobe und Laborergebnisse vorhanden sind. Oft ist das erst nach der Operation, in der der Tumor entfernt wurde, der Fall.

Unsere Interviewpartner*innen haben mit der Diagnosemitteilung ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Einige berichten, dass mit ihnen schon bei den Untersuchungen darüber gesprochen wurde, dass es sich um einen Tumor handele oder sie selbst anhand der Reaktionen des Arztes/der Ärztin oder der Bilder auf dem Monitor etwas vermuteten. Viele unserer Interviewpartner*innen und auch einige Ärzt*innen erzählen, dass nach der Diagnosemitteilung alles sehr schnell ging und sich die Behandlung rasch anschloss.

Einige unsere Interviewpartner*innen machten keine guten Erfahrungen damit, wie ihnen die Diagnose übermittelt wurde. Manchmal war es die Art und Weise, manchmal auch der Zeitpunkt, der schwierig für unsere Erzähler*innen war.

Der Satz: Wissen Sie nicht, dass Sie Krebs haben? zog Lisa Roth den Boden unter den Füßen weg.

Emil Groh empfand die Mitteilung seines Arztes als brutal.

Jan Holgersson wünscht sich, dass bei der Diagnosestellung jemand für einen da ist und sich Zeit nimmt.

Manche unserer Interviewpartner*innen erzählen dagegen von einer für sie annehmbaren, guten Weise, wie ihnen die Diagnose vermittelt wurde.

Richard Linde hatte ein gutes, ruhiges Gespräch mit seinem Arzt.

Eine Interviewpartnerin erzählt, dass ihr der Chefarzt den Befund an den Bildern ausführlich erklärte. Ein anderer war froh, dass sein Hausarzt auch Gastroenterologe war und dadurch alles in die Wege leiten konnte. Manche beschreiben, dass es für sie gut war, dass sie schon bei der Darmspiegelung eine kurze, eindeutige Diagnose bekamen. Einer unserer Interviewpartner, der selbst Arzt ist, war froh, dass seine Kolleg*innen offen mit ihm sprachen. Ein anderer beschreibt, dass sein Gespräch mit dem Arzt sehr kurz, bündig und sachlich war. Er habe gut damit umgehen können, zweifelt aber, dass andere dies auch so könnten.

Sonja Novotny ist ihrem Arzt dankbar für seine Offenheit.

Unabhängig davon, wie sie das Gespräch empfanden, kam die Diagnose auf verschiedensten Wegen zu unseren Interviewpartner*innen. Manche bekamen sie am Telefon mitgeteilt.

Sebastian Siemens fuhr gerade mit dem Auto, als er die Diagnose am Telefon bekam.

Es gab auch Interviewpartner*innen, die selbst darauf bestanden, dass ihnen das Ergebnis schon am Telefon mitgeteilt wurde, obwohl der Arzt/die Ärztin einen Besprechungstermin vereinbaren wollte.

Andere bekamen ihr Laborergebnis per Post zugeschickt, mit dem sie dann zu ihrem Hausarzt/ihrer Hausärztin gingen. Bei genetischen Tests, also der Frage, ob der Krebs erblich bedingt ist, wurde einigen unserer Interviewpartner*innen freigestellt, wie sie das Ergebnis erhalten wollten. Eine Interviewpartnerin berichtete, dass sie nur gute Nachrichten schriftlich erhalten wollte, was dann für sie glücklicherweise so war. Eine andere bekam das Ergebnis, dass eines ihrer Kinder FAP geerbt hat, per Post. Eine unserer Interviewpartnerinnen mit FAP berichtet, dass sie noch ganz klein war, als ihre Diagnose gestellt wurde, so dass sie mit dem Wissen um ihren Gendefekt bereits aufwuchs.

Wenigen unserer Interviewpartner*innen wurde das Ergebnis nicht vom behandelnden Arzt/von der behandelnden Ärztin selbst, sondern von einer anderen Person mitgeteilt.

Klaus Wippich wurde die Diagnose von der Frau seines Arztes mitgeteilt.

Henriette Schiller erfuhr die Diagnose aus den Unterlagen neben ihrem Bett.

Reaktionen auf die Diagnose

Die Reaktionen unserer Interviewpartner*innen auf die Diagnosemitteilung konnten ganz unterschiedlich sein. Viele erlebten diese als Schock oder „wie in Trance“. Damit einher geht, dass sich manche nicht mehr an die Inhalte des Gesprächs erinnern können. Insbesondere, wenn die Interviewpartner*innen keine Beschwerden hatten, kam ihnen die Diagnose sehr unwirklich vor.

Lorenz Kraus' Schock hielt nicht lange an.

Sarah Lemke konnte zum Zeitpunkt der Diagnose nicht realisieren, dass sie Krebs hat.

Manche berichten, dass sie in Tränen ausgebrochen seien und auch nicht über die Krankheit sprechen konnten und wollten. Andere dachten sofort daran, dass sie vielleicht sterben würden. Eine Interviewpartnerin erzählt, dass sie im Schock weinend aus dem Raum lief.

Einige berichten darüber, dass sie zunächst einmal Gedanken hatten, ihre Beerdigung zu planen oder auch ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. Diese Gedanken verschwanden aber schnell wieder.

Wilfried Schönfelds Arzt sagte: „Das ist Krebs, aber kein Todesurteil.“

Eine Interviewpartnerin hatte schon in der Akte gesehen, dass das Ergebnis schlecht war. Ihr fiel es aber schwer, dies ihren Kindern zu sagen, die nachfragten, ob die Mama sterben müsse.

Jutta Groß wusste zunächst nicht, wie sie mit der Diagnose umgehen sollte.

Manche berichten, dass sie relativ gefasst auf die Mitteilung reagierten und sich bald wieder aufraffen konnten. Ein Interviewpartner war über sich selbst überrascht, wie ruhig er die Botschaft hinnehmen konnte.

Norbert Wagner fiel in ein tiefes Loch, bevor er wieder Hoffnung schöpfte.

Eine Interviewpartnerin erzählt, dass es ihr sehr geholfen habe, im Krankhaus mit der Seelsorge, den Ärzt*innen und Pflegenden über ihre Diagnose zu sprechen.

Gunther Kraft hatte Galgenhumor.

Andere beschreiben, dass sie sogar eine Dankbarkeit verspürten, bis jetzt in ihrem Leben so viel Positives erfahren zu haben.

Bei manchen rückte die Diagnose Krebs sofort in den Hintergrund. So war eine Interviewpartnerin nur froh, dass endlich eine Ursache für ihre Übelkeit gefunden war. Ein anderer beschäftigte sich hauptsächlich mit der Frage des drohenden Stomas.

Für Patient*innen mit einer vorangegangen Colitis ulcerosa ergab sich die Hoffnung, dass mit einem Stoma, das notwendig wurde, die bisherigen Krankheitsbeschwerden ein Ende hätten.

Sylvia Herrmanns Arzt betonte, dass sie von nun an ihre Colitis los sei.

Bei einigen war der Partner/die Partnerin beim Diagnosegespräch dabei. Dies wurde teilweise vom Arzt/von der Ärztin so vorbereitet, bei anderen ergab es sich zufällig. Einige erzählen, dass die Partner*innen ebenso geschockt waren. Bei anderen konnten diese eher eine Stütze sein.

Sylvia Herrmanns Mann war bei der Diagnosestellung aufnahmefähiger als sie selbst.

Sinnvoll hielten es unsere Interviewpartner*innen den Partner/die Partnerin dabei zu haben, wenn die Diagnose bereits zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, als die Narkose von den Untersuchungen noch nicht ganz abgeklungen war.

Für viele war es schwer, ihre Familie im Anschluss zu informieren (siehe auch „Auswirkungen auf die Familie“).

Während manche schon den Verdacht hatten, dass etwas Schweres auf sie zukommen würde, konnten es andere kaum wahrhaben.