Nebenwirkungen der Chemotherapie

Chemotherapien (sogenannte Zytostatika) sollen die Zellteilung verhindern und Zellen zum Absterben bringen, so dass Krebszellen zerstört werden, was in vielen Fällen lebensrettend sein kann. Weil die Einflussnahme auf die Zellteilung ein Eingriff in wichtige, grundlegende Prozesse im Körper darstellt, wirken die meisten Zellgifte nicht nur auf Krebszellen, sondern auch auf gesunde, wachsende Zellen. Daher kommt es häufig zu Nebenwirkungen, die im Regelfall nach der Behandlung auch wieder verschwinden (siehe http://www.krebsinformationsdienst.de/behandlung/chemotherapie-nebenwirkungen.php).

Norbert Wagner findet es wichtig, über die aufwendige Entwicklung der Chemotherapeutika Bescheid zu wissen.

Neben denjenigen unserer Interviewpartner*innen, die erzählen, dass sie die Chemotherapie relativ gut vertragen haben, berichten auch viele von verschiedensten Nebenwirkungen und Komplikationen. Diese sind oft auch bekannt. Manche unserer Erzähler*innen wurden vorher darüber aufgeklärt, andere beschreiben, dass sie keine ausführliche Aufklärung erhielten oder diese selbst auch nicht wünschten.

Viele, aber nicht alle Nebenwirkungen können durch andere Medikamente oder Therapiemaßnahmen gelindert werden; hier erzählen einige, wie wichtig es war, den Ärzt*innen davon zu berichten und bei Ihnen Verständnis und Ideenreichtum zu finden.

Viele unserer Interviewpartner*innen erzählen, dass es ihnen half, von anderen Betroffenen zu erfahren, dass diese unter ähnlichen Symptomen gelitten haben, um diese als Nebenwirkungen einordnen zu können. Deshalb wird hier dargestellt, wie unsere Interviewpartner*innen die Nebenwirkungen der Chemotherapie erlebten und wie sie damit umgingen. Bei einigen unserer Interviewpartner*innen lag die Chemotherapie schon viele Jahre zurück, so dass die Entwicklung der Therapien noch nicht so weit vorangeschritten war wie heute, wobei heute die Nebenwirkungen nicht mehr so einschneidend oder besser behandelbar sind.

Geschmacks- und Geruchsveränderungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verdauungsprobleme, Inkontinenz, Appetitstörungen

Viele unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie unter Appetitstörungen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen oder sonstigen Verdauungsproblemen litten und dadurch teilweise auch an Gewicht verloren. Dies war unterschiedlich ausgeprägt und auch von unseren Erzähler*innen unterschiedlich gut auszuhalten. Einige litten auch gar nicht unter Übelkeit.

Während dies bei manchen nur kurze Phasen waren, die nach der Medikamenteneinnahme wieder zurückgingen, litten andere anhaltend unter den Symptomen, manche mussten daher sogar künstlich ernährt werden. Eine Interviewpartnerin berichtet auch über Verstopfung.

Jutta Groß musste zeitweise künstlich ernährt und von einem Pflegedienst versorgt werden.

Manche unserer Interviewpartner*innen beschreiben die Übelkeit wie eine Art Reise- oder Schwangerschaftsübelkeit, die nicht vergeht. Diese war häufig mit der Örtlichkeit der Gabe der Chemotherapie gekoppelt. Manchmal war allein der Gedanke an Nahrung schon der Auslöser für Übelkeit oder Erbrechen. Auch der Geschmackssinn oder Geruchssinn veränderte sich bei mehreren unserer Erzähler*innen, so dass das Essen nicht mehr schmeckte.

Wilfried Schönfeld erlebte eine spezielle Übelkeit, die heute noch mit dem Ort der Chemogabe verknüpft ist.

Einige unserer Interviewpartner*innen vertrugen in dieser Zeit nur bestimmte Speisen, wie zum Beispiel Kartoffeln, bei anderen halfen auch Medikamente gegen die Übelkeit, wie zum Beispiel Metroclopramid.

Lorenz Kraus musste sich bei jedem Essen übergeben und ernährte sich nur noch von Müsli.

Daneben berichten einige unserer Erzähler*innen über Schluckbeschwerden und Entzündungen im Mundbereich, die das Essen beeinträchtigten.

Schwäche und Müdigkeit, Verminderung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten)

Die meisten unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie sich während der Chemotherapie schwach und erschöpft fühlten, müder waren als gewohnt sowie unter Schlafstörungen, Hitzewallungen und Schweißausbrüchen litten. Dies war unterschiedlich ausgeprägt. Während manche der Müdigkeit mit vermehrtem Schlaf begegneten, versuchten andere, mit vermehrter Bewegung an der frischen Luft gegenzusteuern. Bei manchen war die Schwäche extrem und mit hohem Fieber verbunden, so dass ein Krankenhausaufenthalt nötig wurde oder sie für die Versorgung der Kinder Unterstützung durch eine Haushaltshilfe benötigten.

In der Regel wird während der Chemotherapie die Anzahl der Leukozyten, also der weißen Blutkörperchen, überprüft. Wenn diese zu niedrig ist, hat der Körper nicht mehr genug Abwehrkräfte und neigt zu Infekten, weswegen in extremen Fällen die Therapie unterbrochen oder abgebrochen werden muss.

Henriette Schiller ist auch nach der Chemo noch müder und schwächer.

Sylvia Herrmann brach zusammen und musste ins Krankenhaus.

Polyneuropathie

Durch die Chemotherapie wird häufig auch das periphere Nervensystem geschädigt. Unsere Interviewpartner*innen beschreiben, dass sie diese Störungen vor allem in Händen und Füßen, manchmal auch im Gesicht, erlebten. Diese reichten von einem leichten Kribbeln bis hin zu schweren Schmerzen. Die Polyneuropathie äußerte sich auch durch Sensibilitätsstörungen oder verändertes Kälte- und Hitzeempfinden. Oft führte dies zu massiven Beeinträchtigungen bei Alltagsverrichtungen oder dem Gehen oder verursachte auch Schmerzen, selbst beim Schlafen. Bei manchen bildeten sich diese Störungen schnell wieder zurück, bei anderen blieben sie bestehen, was diese sehr belastete. Dabei probierten unsere Interviewpartner*innen einiges an Therapien aus, wie zum Beispiel Behandlungen mit einem Zweizellenbad, in dem die Nerven mit Schwachstrom angeregt werden sollen.

Susanna Zier spürt Stromschläge in den Fingern und kann daher den Alltag nur schwer bewältigen.

Gerd Osten empfand es als demütigend, nicht mehr manuell geschickt zu sein wie früher.

Hand-Fuß-Syndrom

Beim sogenannten Hand-Fuß-Syndrom kann sich die Haut an den Händen (bevorzugt an den Fingerkuppen) und an den Füßen (besonders an den Fersen) ablösen. Dies berichten einige unserer Interviewpartner*innen als schmerzhaft und störend, insbesondere wenn es zusätzlich zur Polyneuropathie auftrat. Manche unserer Erzähler*innen versuchten sich mit Cremes dabei zu behelfen.

Bei Norbert Wagner schälte sich die Haut an den Fußsohlen ab.

Restless-Legs-Syndrom (ruhelose Beine)

Ein Interviewpartner beschreibt, dass mit der dauerhaften Chemotherapie bei ihm das sogeannte Restless-legs Syndrom auftauchte, das heißt, dass er besonders nachts einen andauernden Bewegungsdrang in Beinen und Füßen hat. Das ist deshalb sehr belastend, weil er deshalb nur noch schlecht schlafen kann.

Psychische Krisen

Einige unserer Interviewpartner*innen schildern, wie die Chemotherapie ihr psychisches Befinden beeinträchtigte. Manche fühlten sich in der Zeit besonders „dünnhäutig“ (siehe auch „Psychische Belastungen“ und „Leben mit der Unsicherheit“).

Lorenz Kraus litt unter innerer Unruhe und Stimmungsschwankungen.

Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen

Mehrere unserer Erzähler*innen berichten über teilweise anhaltende Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Häufig beschreiben sie dies als ein Tabuthema, über das nur mit Mitpatient*innen gesprochen wird, weil es als peinlich erlebt wird. Manche ließen sich darauf ein und versuchten, sich im Alltag durch Tagebücher oder Merkzettel zu helfen.

Jutta Groß erzählt, wie ihre Konzentration und Merkfähigkeit beeinträchtigt wurde.

Haarausfall

Manche unserer Interviewpartner*innen erzählen, dass sie angenehm überrascht gewesen seien, dass ihnen die Haare bei der Chemotherapie gar nicht oder nur teilweise ausfielen. Andere erlebten den Haarausfall als überraschend und belastend. Einige Frauen behalfen sich beim Haarausfall mit Haarbändern oder Perücken.

Leon Gerspacher bekam eine Glatze, obwohl ihm das niemand vorher erklärt hatte.

Auch berichten einzelne Interviewpartner*innen, dass die Haare schlagartig weiß wurden oder auch darüber, dass sie bei sich ein vermehrtes Wachstum der Wimpern und der Fingernägel beobachteten.

Petra Markert trug aufgrund ihres Haarausfalls Stirnbänder.

Schleimhautprobleme, Nasenbluten

Einige unserer Interviewpartner*innen berichten, dass die Chemotherapie ihre Schleimhäute gereizt oder zerstört habe. Bei manchen äußerte sich dies durch Entzündungen der Haut, der Blase oder des Afters oder auch durch Nasenbluten. Während manche berichten, dass dies schnell wieder vorüber war, hatten einige dauerhafte Probleme damit, die sie versuchten, mit Salben oder Ölen in den Griff zu bekommen.

Petra Markert hatte starke Entzündungen am After und behalf sich mit Olivenöl.

Komplikationen mit dem Port

Einige unserer Interviewpartner*innen schildern, dass es Komplikationen mit dem Port gab, über den die Chemotherapie verabreicht wird. Dies ist im Text „Port“ zu finden.

Thrombosen

Manche unserer Interviewpartner*innen berichten, dass sie im Verlauf der Behandlung an einer Thrombose (venöser Gefäßverschluss) litten. Bei Susanna Zier kam es sogar zusätzlich zu einer Lungenembolie (Lungengefäßverschluss). Wichtig war in diesen Fällen, dass schnell darauf reagiert wurde.

Bei Sonja Novotny wurde eine Thrombose festgestellt, weil sie darauf beharrte, dass etwas nicht stimmte.

Susanna Zier wurde nicht aufgeklärt, wann sie sich die Thrombosespritzen geben müsste.

Sonstige Nebenwirkungen

Neben den anderen Nebenwirkungen berichteten einzelne unserer Interviewpartner*innen, dass frühere Erkrankungen und Beschwerden mit der Chemotherapie wieder verstärkt auftraten. Dabei wurden Herzprobleme genannt, aber auch Knieschmerzen. Generell hatten einige Interviewpartner*innen Schmerzen in verschiedenen Körperteilen wie Bauch und Kopf.

Bei Petra Markert stiegen die Leberwerte extrem an. Erst nach langem Suchen fand ihr behandelnder Arzt heraus, dass dies auf eine seltene Nebenwirkung eines gleichzeitig mit der Chemotherapie verabreichten Blutdrucksenkers zurückzuführen war.

Außerdem beschrieben einige Interviewpartner*innen, dass ihr Sexualleben in der Zeit der Chemotherapie sehr beeinträchtigt gewesen sei (siehe „Partnerschaft und Sexualleben“). Ein Interviewpartner behielt bleibende Muskelzuckungen im Gesicht zurück, eine andere Interviewpartnerin verlor ihre Zähne.

Rosi Blumenthal brachen und faulten die Zähne ab.

Auch ein positiver Nebeneffekt wurde beschrieben, nämlich, dass Stechmücken in der Zeit während der Chemotherapie kein Interesse an einigen unserer Interviewpartner*innen mehr zeigten.

Vieles auf einmal

Die meisten unsere Interviewpartner*innen berichten nicht über einzelne isolierte Symptome. Meist erzählen sie von etlichen Nebenwirkungen, die gemeinsam auftraten. Viele berichten, wie wichtig es für sie gewesen sei, bei den belastenden Nebenwirkungen ihre behandelnden Onkolog*innen mit einzubeziehen, um gegebenenfalls die Therapie anzupassen. Während sich manche Interviewpartner*innen darauf einstellen konnten und die Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen waren, gab es auch Erzähler,*innen die die Chemotherapie aufgrund der nicht erträglichen Nebenwirkungen abbrachen.

Norbert Wagner hat die vielen Nebenwirkungen in sein Leben integriert.

Sebastian Siemens brach die Chemotherapie wegen der unzähligen Nebenwirkungen ab.