Die Erfahrungen von Linus Maisch

Portrait Linus Maisch ist zum Interviewzeitpunkt 15 Jahre alt und hat eine ADHS-Diagnose. Er hatte schon immer einen starken Bewegungsdrang und deswegen immer mal wieder Schwierigkeiten in der Schule. Auch sein älterer Bruder hat ADHS und ging auf dieselbe Schule, wo er immer wieder negativ aufgefallen war. Mit ihm wurde Linus während der gesamten Schullaufbahn verglichen, was die Situation für ihn noch zusätzlich erschwerte. Linus Maisch hat einer Veröffentlichung seines Interviews in der Videoversion zugestimmt.

Linus kann sich noch gut an die Zeit in der ersten Klasse erinnern. Damals konnte er nie stillsitzen, was ihn bei den Lehrkräften sehr unbeliebt machte. Linus benutzt gern das Wort „zappeln“.  Er hatte das Gefühl, sich immer bewegen zu müssen – sei es, mit seinem Bein gegen den Tisch zu hauen, auf dem Tisch zu trommeln, zu kippeln oder ähnliches. Dieses Verhalten setzte sich in den späteren Klassen fort. Daher musste er immer alleine sitzen, um andere nicht vom Unterricht abzulenken. Dabei hatte Linus das Gefühl, dass der Klassenlehrer verstärkt auf ihn achten würde und vielleicht daher schneller „genervt“ von ihm war.

Linus berichtet außerdem, dass die Integrationslehrkräfte an seiner Schule viel besser mit ihm und der Diagnose ADHS klarkamen. Ein anderer Lehrer, der den älteren Bruder des Jungen bereits als Schüler hatte, nahm Linus in Schutz, weil er doch „nichts dafür konnte“ und einfach so sei, wie er ist. Sein Bruder war ebenfalls „auffällig“ und hatte in der Schule „viel Quatsch“ gemacht. In der Schule hatte Linus darüber hinaus Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung und musste lange Zeit Nachhilfe nehmen, bis es besser wurde.

Auch zu Hause konnte Linus nie richtig stillsitzen. Dort, wie auch auf Reisen hatte er immer sein Handy in der Hand und musste damit spielen. Wenn er sich früher nicht auf die Hausaufgaben konzentrieren konnte, ging er für ein paar Stunden raus und spielte z.B. mit Freunden Fußball. So konnte er sich „abreagieren“ und dann weiter lernen. Diese Strategie hilft ihm heutzutage immer noch.

Auf der anderen Seite passierte es ihm, dass er einen Film mit seinen Eltern guckte und sich so darauf konzentrierte, dass er nicht mehr ansprechbar war. Das „nervte“ dann schon manchmal seinen Vater. Seit der 7 bzw. 8 Klasse hat sich die Problematik gebessert. So hat Linus das Gefühl, dass er selbst nicht mehr so stark durch seine Unruhe abgelenkt ist; den Lehrkräften würde es ebenfalls nicht mehr so sehr auffallen. Wenn er das Gefühl hat, sich bewegen zu müssen, spielt er nun mit einem Stift, um keine Geräusche zu machen und damit andere nicht abzulenken.

An die Zeit der Diagnosestellung kann sich Linus nicht sehr gut erinnern. Er weiß nur noch, dass er einige Tests machen musste. Erst mit 12, 13 Jahren hat er wirklich realisiert, was „das für eine Krankheit ist“. Diese Erkenntnis hatte für ihn allerdings keine großen Konsequenzen. Er hatte nicht das Gefühl, sich „von anderen zu unterscheiden“, außer dass er sich „die ganze Zeit bewegen“ muss. Daher interessiert er auch nicht sonderlich für die Diagnose, weil er mit seiner Situation „ziemlich gut klar“ kommt.

Linus erzählt von einem Freund in seiner Klasse, der ebenfalls ADHS hat. Dies konnte Linus am Anfang nur schwer glauben, weil der andere Junge immer sehr still und ruhig war. Daher vermutet Linus, dass dies an der medikamentösen Behandlung lag, die die Eltern von Linus immer abgelehnt haben. Darüber ist Linus im Nachhinein sehr froh. Denn er glaubt, ohne Tabletten auskommen zu können und fürchtet „Rückstände“ durch Medikamente, die eventuell schädlich sein könnten. Zudem vertritt sein Vater die Ansicht, dass AD(H)S „eine bisschen erfundene Krankheit ist“, damit Pharmakonzerne von dem Verkauf der Medikamente profitieren.

Linus war lange Zeit bei einer Kindertherapeutin, mit der er sehr offen über vieles reden konnte. Es sei nichts worüber man sich „schämen“ müsste, auch wenn eine Therapie in seinem Freundeskreis als „komisch“ angesehen wird. Nur manchmal wird Linus noch von seinen Freunden darauf angesprochen, warum er sich so viel bewegen müsse. In solchen Fällen erzählt er sehr offen über die Diagnose und hat bis jetzt sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Andere zeigen in der Regel Verständnis dafür, weil er ja zwar „nicht normal ist“, aber im Grunde „nichts dafür kann“.

Das Interview wurde 11.07.2014 geführt.

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